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Der zentrale Hauptstrahl

 Eine Betrachtung unter Berücksichtigung des

Stiles-Crawford-Effektes der ersten Art


Hans W. Riedl, staatl. gepr. Augenoptiker, WVAO

Februar 1999


                   

SCHLÜSSELWÖRTER

Aberration, chromatische

Adaptation

Aperturblende, körperliche

Aperturblende, sensorische

Auge, schematisches

Brillenzentrierung

DIN 5340

Empfindungsmaximum

Fixierlinie

FLA-Messgerät

Foveola

Gammawinkel ungleich null

Gesichtslinie

Hauptstrahl

Hauptstrahl, zentraler

Hohlleiterwirkung

Hornhautreflexbild

Kardinalpunkte

Licht, monochromes

Licht, polychromes

Mikro-Bewegungen

Öffnungsstrahlengang Photorezeptoren

Photorezeptoroptik

Pol, ophthalmometrischer

Pupillenmitten-Zentrierung (PMZ)

SC-Paraboloid

Sehen, mesopisches

Sehen, photopisches

Selektion

Stiles-Crawford-Effekt

Strahlenbündel

Verifizierbarkeit der ...

.. Visierlinie, reale 

Geometrische Optik

Geometrische Optik lässt sich in allen Bereichen mit geradlinigen Lichtstrahlen, gedachten unendlich dünnen einzelnen Strahlen, erklären. Mit Hilfe derart vereinfachter Strahlen sind sowohl reelle als auch virtuelle optische Abbildungen darstellbar.

BILDBESTIMMUNG mit KONSTRUKTIONSSTRAHLEN

Die einfachste Form optischer Bildentstehung ist an der Lochkamera zu beobachten. Sie benötigt dazu nicht mehr als eine Lochblende, die das abbildende Strahlenbündel begrenzt. Daran ist zu erkennen, dass zu optischer Bilderzeugung brechende Flächen durchaus entbehrlich sein können, Strahlenbegrenzung jedoch unverzichtbar ist. Wenngleich in der Lochkamera das Bild durch Beugung entsteht und der Ort der schärfsten Abbildung allein eine Funktion von Lichtwellenlänge und Lochdurchmesser ist, entsteht das auf einem Bildschirm aufgefangene umgekehrte Bild immer in der geradlinigen Flucht Objektpunkt – Mitte Lochblende – Bildpunkt (Abb. 1).

Abbildung 1: Lochkamera; der Ort der schärfsten Abbildung ist eine Funktion von Lochdurchmesser und Wellenlänge; das Bild entsteht in der geradlinigen Flucht Objektpunkt – Lochmitte – Bildpunkt; abbildende Strahlen, die durch die Mitte der Lochblende gehen, sind Hauptstrahlen

Die Bildkonstruktion lässt sich für jeden Punkt mit einem einzigen Strahl, einem Hauptstrahl, der auf dieser Flucht verläuft, durchführen. Ein Hauptstrahl ist an der Lochkamera unabhängig von der Neigung immer reell, also ungebrochen darstellbar.

Bei zentrierten optischen Systemen, also Systemen mit einer optischen Achse, ist die Bildbestimmung mit Achsenparallelstrahl und Brennpunktstrahl durchzuführen (Abb. 2).

Abbildung 2: Haupt- und Knotenpunkte, Bildbestimmung mit Haupt- und Knotenpunktstrahl, Achsenparallel- und Brennpunktstrahl

Objektpunkt O und Bildpunkt O' verbindet der auf der Achse verlaufende ungebrochene Hauptstrahl. Den achsenfernen Objektpunkt G verbindet mit seinem Bildpunkt G' der geneigte Knotenpunktstrahl, der sich objekt- und bildseitig durch gleiche Richtung auszeichnet, aber von K nach K' eine Parallelverschiebung erfährt. Befindet sich vor und hinter der Linse ein Medium gleicher Dichte, sind also die Knotenpunkte mit den Hauptpunkten identisch, geht auch dieser geneigte Strahl als Hauptstrahl durch die Mitte der als Aperturblende wirkenden Linsenfassung.

Handelt es sich um ein zentriertes System, bei dem sich Objekt- und Bildraum in ungleichen Medien befinden, so dass die Hauptpunkte HH' und die Knotenpunkte KK' an verschiedenen Orten der Achse liegen, und/oder liegt das objektseitige Bild der Aperturblende (EP) nicht in der Ebene des Knotenpunktes K, so geht der geneigte Knotenpunktstrahl vom Objektpunkt G zum Bildpunkt G' nicht mehr durch die Mitte, sondern dezentral durch die Aperturblende. Der Knotenpunktstrahl kann nicht mehr Hauptstrahl sein. Nur der auf der optischen Achse verlaufende Strahl vom Objektpunkt O zum Bildpunkt O' ist als Hauptstrahl ungebrochen darstellbar. Bildkonstruktionen sind auch in diesem System problemlos mit Achsenparallelstrahl und Brennpunktstrahl auszuführen, weil eine optische Achse existiert. Die eigentliche und maßgebliche Bedeutung des Hauptstrahls reduziert sich aber auf die des ungebrochen auf der optischen Achse darstellbaren Strahls.

Das System Auge

Beim Auge handelt es sich um ein System, das jegliche Merkmale von Zentrierung vermissen lässt. Keine Fläche ist zu einer anderen oder zur Augenpupille zentriert, eine optische Achse existiert nicht! Bildkonstruktionen mit den gewöhnlichen Konstruktionsstrahlen sind aber ohne optische Achse nicht machbar! Es ist deshalb üblich, für Bildkonstruktionen – auch beim schematischen Auge der DIN 5340 – von einer fiktiven optischen Achse mit den Merkmalen einer Symmetrieachse auszugehen, um eine Gerade zu schaffen, auf der die Mitte einer körperlichen Aperturblende und die Kardinalpunkte (O, O', F, F', H, H', K und K') festzulegen sind. Zu dieser Notlösung, von der jeder weiß, dass sie in dieser Weise nicht existiert, führt im Grunde genommen nur die traditionelle Zwangsvorstellung, die Augenpupille wirke als Aperturblende des abbildenden Systems Auge. Wir sind bereit, elementare optische Tatbestände gewissermaßen zu manipulieren, nur um einer körperlichen Aperturblende gerecht werden zu können, mit der der ungebrochene Hauptstrahl als optische Achse darstellbar ist! Dazu ist sachlich festzustellen, dass die zu Bildkonstruktionen herangezogene „optische Achse” des Systems Auge keineswegs Symmetrieachse seiner brechenden Flächen zu sein braucht, jedoch unbedingt die Mitte der Aperturblende enthalten muss! Der Satz lässt sich nun sinngemäß umkehren:

 Ist „der” Hauptstrahl ungebrochen darstellbar, dann muss sich aus dem Hauptstrahlengang die laterale Position der Aperturblende in Abhängigkeit von den bekannten Kardinalpunkten O und O' ableiten lassen ...

... der Öffnungsstrahlengang (symmetrisch zum Hauptstrahlengang) ergibt sich aus einer noch zu beschreibenden tolerierbaren Aberration, die „der” Hauptstrahl in der Foveola erfährt, bzw. aus der Apertur von Photorezeptoren (Hohlleiterwirkung) ...

Siehe auch: Kapitel „Sehen – ein sensorischer Prozess”.

OPTISCHE ACHSE und GAMMAWINKEL

Mit der Fiktion, Strahlenbegrenzung im Auge könne nur durch eine körperliche Blende erfolgen, manövrierte sich die Optometrie in einen schwierigen Konflikt, der Theorie und Praxis der Augenoptik immer wieder vor Probleme stellt: Der Gammawinkel ungleich null ist geometrisch optisch fassbar nicht einzuordnen, ohne sich eine Reihe nicht nachweisbarer Behauptungen zurechtlegen zu müssen. So glaubt man, als Ursache des Gammawinkels einen Versatz der Netzhautgrube vom hinteren Augenpol annehmen zu können, und muss damit die eigentlich nicht existente optische Achse des Auges als „doch vorhanden” akzeptieren, weil sich der hintere Augenpol ohne sie nicht definieren ließe. Eine durch nichts zu beweisende Annahme muss eine andere ebenso unsichere Annahme stützen, einfach, weil man glaubt, die Augenpupille als Aperturblende behandeln zu müssen! Ohne Winkel Gamma wäre alles so einfach; aber jedes gedankliche Konzept kann nur aufgehen, wenn es auch mit Gammawinkel ungleich null nachvollziehbar ist. Der Gammawinkel dient gewissermaßen zur Nagelprobe von Erklärungen der physiologischen Optik.

BESONDERES MERKMAL

Obwohl sich das Auge auf den ersten Blick grundverschieden von anderen abbildenden Systemen darstellt, unterscheidet es sich aber von beliebigen nicht zentrierten Systemen durch eine charakteristische Besonderheit: Bei normaler Fixation ist der Bildort eindeutig festgelegt, nämlich in der Mitte der Foveola! Der fixierte Objektpunkt O und sein Bildpunkt O' sind also exakt zu beschreiben. Zwei markante Punkte, die zueinander in einer absolut klaren Beziehung stehen, die dann Sinn macht, wenn sie auch bei Gammawinkel ungleich null vom zentral abgebildeten Objektpunkt O bis zum konjugierten Bildpunkt O' plausibel zu erklären ist.

KARDINALPUNKTE des SYSTEMS AUGE: O und O' und ...

Geht man unbefangen an die Lösung des Dilemmas heran, so bietet sich an, die unverwechselbare Besonderheit des Auges, nämlich die exakte Beschreibbarkeit von Objekt- und Bildort, als von vornherein feststehende Kardinalpunkte einer Betrachtung der zugehörigen Strahlengänge zu Grunde zu legen. Da der Bildort des fixierten Objektpunktes im Auge durch die Mitte der Foveola festgelegt ist, hat das objektseitige Bild dieses, den Objektpunkt abbildenden Strahlenbündels geometrisch-optisch maßgebliche Bedeutung. Sein Hauptstrahl ist von O bis O' – objektseitig (gegebenenfalls zwischen Brillenglas und Auge) real, bildseitig virtuell – als Verbindungsgerade darstellbar! Aus dieser Situation lässt sich mindestens die Funktion ableiten, die man bereit wäre, sogar einer gedachten optischen Achse des Auges zuzubilligen: Alle acht Kardinalpunkte sind problemlos auf dieser Verbindungsgeraden anzuordnen – und konsequenterweise auch die Mitte der „noch zu definierenden” Aperturblende des Auges ...

Die Verbindungsgerade von O nach O' erfüllt am Auge objekt- wie bildseitig den Tatbestand des zentralen Hauptstrahls. – Ein Strahl, der mit diesen ausgezeichneten Merkmalen ausgestattet ist, entspricht der realen Visierlinie, verifizierbar durch eine Zielvorrichtung mit Kimme und Korn (Abb. 3a).

Abbildung 3a: Verifizierung der Visierlinie; Darstellung mit Winkel γ ≠ 0; die reale Visierlinie ergibt sich aus der Verbindungsgeraden vom fixierten Objektpunkt O zum Bildpunkt O’ in der Foveolamitte; mit einer Visiervorrichtung lässt sich die Verifizierbarkeit der „Visierlinie“ feststellen.

Mit der Definition des „Hauptstrahl, zentraler (central chief ray)” erklärt das Wörterbuch der Optometrie[1] einen Begriff, der in der Optometrie eine außerordentlich wichtige Rolle spielt, in der DIN 5340 – aus Gründen, die nicht nachvollziehbar sind – aber leider nicht erwähnt wurde. Das Wörterbuch der Optometrie definiert den Begriff nun so: Hauptstrahl des Bündels, das von dem in der Foveolamitte abgebildeten Objektpunkt ausgeht. Der zentrale Hauptstrahl ist zwischen Brillenglas und Auge mit der Fixierlinie identisch.

Experiment

Es war naheliegend, zu vermuten, dass ein in der Eintrittspupille dezentriertes Hornhautreflexbild, das – wie Gullstrand feststellte – den ophthalmometrischen Pol markiert, mit einem Gammawinkel ungleich null in Zusammenhang stehen wird. Das dezentrierte Hornhautreflexbild wird also die Situation anzeigen, bei der eine dabei auftretende Besonderheit nachzuweisen ist(?).

Dieser Gedankengang lag einem Experiment zugrunde, das der Autor anstellte, um zu überprüfen, ob die Mitte der Eintrittspupille des Auges den optischen Augendrehpunkt Z' auch im Falle eines Gammawinkels ungleich null zweifelsfrei repräsentieren kann. Er kam – wie aus den Versuchen erkennbar – zu dem Ergebnis, dass Zweifel sehr wohl berechtigt sind (Abb. 3a, 3b, 3c)[2]!

Abbildung 3b: Visieraufgabe der Versuchsperson längs der optischen Achse des Kameraobjektives (Kimme = schräges Fadenkreuz vor dem Objektiv, Korn = Mitte des Irisblendenbildes)

Abbildung 3c: Das Hornhautreflexbild entsteht auf der realen Visierlinie, die auf der Hornhautvorderfläche senkrecht steht; die senkrechte Situation ist nachgewiesen durch das zur optischen Achse der Ringblitzkamera zentrierte doppeltbelichtete Fadenkreuz (die in der unkritischen vertikalen Richtung auftretende Unstimmigkeit dürfte auf eine Dejustierung des Kameraspiegels zurückzuführen sein).

Zunächst bestätigen die Versuche mit dem Hornhautreflexbild, dass die „reale Visierlinie” – wie sie sich aus der Visieraufgabe der Versuchspersonen ergibt – im ophthalmometrischen Pol senkrecht auf der Hornhautvorderfläche stehen muss[3]. Eine Feststellung, die im deutlichen Widerspruch zum schematischen Auge der DIN 5340 steht. Die Folgerung, es müsse sich beim Sehen um Strahlenbegrenzung handeln, die sich mit der körperlichen Augenpupille als Aperturblende nicht erklären lässt, ergibt sich unwillkürlich.

Ist die reale Visierlinie zentraler Hauptstrahl (Kasten), zeigt sich im Falle eines Gammawinkels ungleich null hinsichtlich der Aperturblende eine offensichtliche Unstimmigkeit ... !! Eine Unstimmigkeit, die sich mit der DIN 5340 und der Gepflogenheit, die Augenpupille als Aperturblende ansehen zu müssen, einfach nicht vereinbaren lässt. Wenn Strahlenbegrenzung elementare Voraussetzung jeder optischen Abbildung ist, macht das Auge bezüglich einer körperlichen Aperturblende offenbar eine Ausnahme!(?) Die Augenpupille passt weder reell noch virtuell in die geometrisch-optische Strahlenkonstruktion – und eine andere in Frage kommende körperliche Blende ist nicht nachweisbar!

SEHEN – EIN SENSORISCHER PROZESS

Natürlich kommt optische Abbildung im Auge auch nicht ohne Strahlenbegrenzung aus! Nur wird man erkennen müssen, dass Sehen ein überwiegend sensorischer Ablauf ist. Selbst beim vermeintlich noch rein physikalischen Vorgang, nämlich dem Zustandekommen der bildlichen Information, lässt bereits die Differenzierung zwischen Empfindung und Wahrnehmung darauf schließen, dass auf retinaler Ebene eine Selektion der Informationen, die an das Gehirn weitergeleitet werden, stattfindet.

Da Sehen ein weitgehend sensorischer Prozess ist, bedarf es begreiflicherweise nicht unbedingt einer körperlichen Aperturblende. Die Begrenzung des Strahlenbündels, das die zur Wahrnehmung im Gehirn „tauglichen” Informationen über zentrale Abbildung enthält, kann durchaus sensorisch erfolgen. Sie muss so eng sein, dass das Gehirn nicht mit unbrauchbaren Bildinformationen (Aberrationen des optischen Systems Auge) überflutet wird. Und sie muss selbstredend nicht nur exakt begrenzen, weil anders ein hoher Visus nicht denkbar wäre. Sie muss auch mit dem Vorzug ausgestattet sein, sehr enge Bündeldurchmesser – im Gegensatz zu körperlichen Blenden – frei von Beugung zu ermöglichen. Reale Durchmesser von weniger als zwei Millimetern hätten bei körperlichen Blenden (Pupillen) zunehmenden Visusabfall zur Folge[4]. Es ist auch zu bezweifeln, dass die von verschiedenen Autoren beschriebene Wirkung des Stiles-Crawford-Effektes (SCE) – wie die geheimnisvolle Einschränkung des Bündels im Auge genannt wird – sich wie die eines Apodisationsfilters auswirkt, der ein Strahlenbündel zum Rand hin allmählich abschattet. Ein durchaus realistischer Visus von V=1,8 oder gar V=2,0 – unter Schwerelosigkeit (Weltraum!) scheint sogar V=3,0 möglich zu sein[5] – wäre bei einer verschwommenen Strahlenbegrenzung, wie sie mit Apodisation beschrieben wird, wohl nicht vorstellbar. Außerdem ist der hohe Visus im Weltraum – an der Grenze des anatomischen Auflösungsvermögens der Foveola – vermutlich nur aufgrund eines unter Schwerelosigkeit besonders engen Strahlenbündels möglich, das – würde es von einer körperlichen Aperturblende (Ø<1mm) begrenzt – einen durch Beugung dramatisch verminderten Visus zur Folge hätte.

All das spricht für ein deutlich engeres als durch die Augenpupille freigegebenes und sehr exakt begrenztes Strahlenbündel, das vom in der Foveolamitte abgebildeten Objektpunkt ausgeht – und ohne jedes Anzeichen von Beugung ist. Eine körperliche Aperturblende schließt sich aus dieser Sicht aus.

Handelt es sich also um eine sensorische Aperturblende, und steht vielleicht – wegen des im weißen Licht festgestellten senkrechten Eintritts in die Hornhautvorderfläche – sogar chromatische Aberration damit in ursächlichem Zusammenhang? – Was aber dann, wenn zum Beispiel im monochromen Licht keine chromatische Aberration auftreten kann? Verfügt das Auge über die Fähigkeit, das zentral abbildende Strahlenbündel nach verschiedenen Kriterien zu selektieren? Fragen, die sich zwangsläufig stellen müssen! Es war anfangs weitgehend unklar, welche Mechanismen sich dahinter verbergen mögen.

Auf der Suche nach einschlägigen Hinweisen in der Literatur wurde der Autor im Jahr 1933 fündig. Damals stießen zwei Wissenschaftler bei Experimenten zur Pupillenlichtstärke auf ein seltsames Phänomen, das mit Gesetzen der physikalischen Optik nicht zu erklären war – und sich meist obendrein durch ein in der Eintrittspupille dezentriertes(!) Verhalten auszeichnet. Liegt hier nur scheinbar eine Parallele vor, oder besteht zwischen dem dezentrierten Hornhautreflexbild und den Ergebnissen dieser Experimente doch ein Zusammenhang?

APERTURBLENDE und STILES-CRAWFORD-EFFEKT

Die Augenoptik geht davon aus, dass die Begrenzung des abbildenden Strahlenbündels immer durch eine körperliche Aperturblende erfolgt. So ist es nur logisch, dass diese Funktion im Auge der Augenpupille zugewiesen wird. Seit dem Jahr 1933 ist diese vermeintlich richtige Annahme jedoch nicht mehr haltbar. Mit der Veröffentlichung ihrer Arbeit über die foveoläre Effizienz von an verschiedenen Orten der Eintrittspupille einfallenden weißen Lichtstrahlenbündeln[6] wurde von W.S.Stiles und B.H.Crawford die Wirksamkeit der Augenpupille als Aperturblende nämlich faktisch in Frage gestellt, weil sie nachwiesen, dass peripher in die Pupille eintretende Fixierstrahlenbündel eine geringere foveoläre Lichtempfindung (Effizienz) bewirken als annähernd zentral einfallende. Die unter den Versuchsbedingungen (!) foveolär empfundene Helligkeit in Abhängigkeit vom Eintrittsort in die Eintrittspupille stellt sich in einer räumlichen Grafik als Paraboloid dar mit in der Regel horizontal und vertikal dezentriertem Maximum (Abb. 4)[7].

Abbildung 4: SC-Paraboloid von Dr.W.Wesemann [7]  nach Werten von Applegate; das Empfindungsmaximum des Stiles-Crawford-Effektes ist im Durchschnitt der Versuchspersonen 0,5 mm nasal und 0,2 mm nach oben versetzt.

Dieses Phänomen lässt sich mit den Gesetzen der technischen Optik, die man gemeinhin glaubt, auch für das System Auge anwenden zu können, nicht erklären. Stiles und Crawford schlossen, der Effekt müsse seine Ursache in der Retina haben.

Doch die Optometrie nahm, zumindest in Deutschland, von dieser schon oben erwähnten, eigentlich sensationellen Entdeckung, Stiles-Crawford-Effekt (SCE) genannt, die sich so gar nicht in das Schema der physikalischen Optik einfügen will, kaum Notiz. Man wusste mit diesem seltsamen Phänomen einfach nichts anzufangen und verdrängte den Effekt bis zum heutigen Tag weitgehend in den Bereich des Geheimnisvollen, letztlich sogar Unbedeutenden. In gewisser Weise ist diese Nicht-zur-Kenntnisnahme auch verständlich, rankten sich doch bedingt durch Untersuchungen des Phänomens mit einfacher zu handhabendem monochromen Licht bald Widersprüche um das Wesen des Effektes. Kurz, die Glaubwürdigkeit des Stiles-Crawford-Effektes und insbesondere diesbezüglich möglicher Unterschiede der retinalen Verarbeitung zwischen weißem und monochromem Licht (eigentliche Ursache der widersprüchlichen Ergebnisse), wurde in optometrischer Hinsicht nie genügend ernst genommen. Untersuchungen von J. M. Enoch (1958) bekräftigten unglücklicherweise auch noch bestehende Zweifel durch die Aussage, zwischen weißem und monochromem Licht sei beim SCE kein Unterschied von Bedeutung[8], [9].

Der Stiles-Crawford-Effekt (SCE) – wie er 1932 mit weißem Licht entdeckt wurde – ist mittlerweile gänzlich zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Dem Effekt kommt heute lediglich in Form von Photorezeptoroptik – einer im monochromen Licht aktiven, dem natürlichen Tagessehen weitestgehend entfremdeten Eigenart – wissenschaftlich-theoretisches Interesse zu. Die Annahme, die Augenpupille wirke als Aperturblende, konnte von derart den ursprünglichen Charakter des SCE verzerrenden Beschreibungen natürlich nicht erschüttert werden!

Sich der Optologie (Lehre vom Sehen) verpflichtet fühlende Forscher täten allerdings gut daran, den Stiles-Crawford-Effekt in all seinen verschiedenen Erscheinungsformen – speziell im natürlichen Sehen mit weißem Licht – sorgfältig zu hinterfragen, um für manche noch rätselhafte Erscheinung im photopischen und mesopischen Sehen eher überzeugende als leidlich befriedigende Erklärungen geben zu können. Dazu bedürfte es wieder Untersuchungen des SCE im weißen Licht, die die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten weitestgehend vernachlässigte. Man untersuchte mit monochromem Licht, ja bisweilen sogar mit Laserlicht, in dem irrigen Glauben, so das Wesen des Effektes im natürlichen Sehen erforschen zu können. Unbegreiflich, dass man sich nie die Frage stellte, ob denn das Auge im natürlichen Sehen die chromatische Aberration des Systems auch so einfach eliminieren könne. Sollte es uns nicht interessieren, wie die Sensorik mit der doch beträchtlichen chromatischen Aberration (CA) umzugehen versteht? Dieses Geheimnis zu erforschen, lohnte sich mit Sicherheit und würde die Entwicklung der praktischen Optometrie viel fruchtbarer beeinflussen können als so manches (moderne) Experiment, das die unbequeme CA einfach ausklammert.

Was wir heute recht gut kennen, ist die im monochromen Licht untersuchte Hohlleitereigenschaft der Photorezeptoren. Die Resultate glaubt man, dem ursprünglich im weißen Licht entdeckten Effekt gleichsetzen zu können, ignoriert aber völlig, dass sie sich in einem wesentlichen Punkt ganz anders darstellen als die im polychromen Licht. Wie weißes Licht von den Rezeptoren, bzw. der Retina verarbeitet wird, ist aus derart einseitigen Experimenten jedoch nicht zu erfahren.

UNTERSCHIEDLICHE POSITION der EMPFINDUNGSMAXIMA

Deutliche Hinweise, dass es sich um zwei verschiedene retinale Verarbeitungsmuster handeln muss, liefern die bei monochromem Licht verschiedener Wellenlängen sich in der Eintrittspupille unterschiedlich präsentierenden Orte der Empfindungsmaxima, die an meist ganz anderen Orten liegen als das Maximum im weißen Licht[10]. Dass man dieser Besonderheit nicht die ihr gebührende Beachtung schenkte, ist ursprünglich einer offensichtlichen Fehldeutung verschieden gelagerter Empfindungsmaxima durch W. S. Stiles zu verdanken, das Orientierungszentrum seiner Photorezeptoren habe sich in den vier Jahren, die zwischen den Messungen im weißen und den Messungen im monochromen Licht lagen, verlagert[11]. Das absehbare Ende für jedes weitere Interesse an Untersuchungen im weißen Licht wurde schließlich durch J. M. Enoch (1958) vorprogrammiert, als er feststellte, zwischen weißem und monochromem Licht sei (SC-relevant) kein Unterschied von Bedeutung. Diese heute weitgehend – nicht allein in der SC-Forschung! – manifestierte Meinung kommt in der Antwort amerikanischer SC-Wissenschaftler auf Anregungen, wieder im weißen Licht zu experimentieren, zum Ausdruck, es gebe dafür keinen physiologisch plausiblen Grund[12].

Es besteht jedoch berechtigter Grund zu der Annahme, dass die sich häufig unterscheidenden optometrischen Resultate (siehe auch Erklärung zu Abb. 8) im Tages- und im Dämmerungssehen unterschiedlichen retinalen Verarbeitungsmustern zuzuordnen sind. Die Tatsache, dass der zentrale Hauptstrahl im Tagessehen bei weißem Licht im ophthalmometrischen Pol senkrecht auf der Hornhautvorderfläche steht, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass chromatische Aberration bei dem zwischen Empfindung und Wahrnehmung liegenden Verarbeitungsprozess maßgebend beteiligt sein muss. Es ist davon auszugehen, dass die Rezeptoren der Foveola die Fähigkeit besitzen, Lichtstrahlen zu selektieren. Im photopischen Sehen bei weißem Licht wird die Foveola das Strahlenbündel nach Kriterien der chromati­schen Aberration selektieren, die der zentrale Hauptstrahl bei den Mikro-Bewegungen erfährt (Abb. 5 und 6)[13].

Abbildung 5: Der Farbenfehler als Maßstab für die Größe der sensorischen Aperturblende; die Sensorik der Retina vergleicht die Größen G’RG’V und O’RO’V in retinaler Ebene miteinander

Abbildung 6: Die sensorische Aperturblende im photopischen Sehen; schematische Darstellung mit Winkel γ ≠ 0; die reale Visierlinie ergibt sich aus der Verbindungsgeraden vom fixierten Objektpunkt O zum Bildpunkt O’ in der Foveolamitte, die sensorische Aperturblende, wirksam an der Hornhautvorderfläche, resultiert aus dem tolerierten Farbenlängsfehler O’VO’R.

PHOTOREZEPTOROPTIK und MESOPISCHES SEHEN

Im Dämmerungssehen und bei monochromem Licht können die Rezeptoren der Foveola keine chromatische Aberration „verarbeiten“. Um nicht in gegenseitige Konkurrenz zu geraten, müssen sich im mesopischen Sehen alle aktivierbaren Rezeptoren, also Zapfen und Stäbchen, einheitlich orientieren, das heißt, sich der Richtungsempfindung eines Typs unterordnen. Je nach Beleuchtungsstärke, bzw. Wellenlänge, wird ein Zapfentyp der Foveola die Führung übernehmen. Das Bündel vom zentral abgebildeten Objektpunkt zu seinem Bildpunkt wird in dieser Situation von der Hohlleiterwirkung (Photorezeptoroptik) der zur „Führung befähigten“ Zapfenrezeptoren gebildet. Der periphere Effizienzabfall der Photorezeptoroptik ist dem im weißen Licht zu beobachtenden SCE tatsächlich so ähnlich, dass Enoch daraus seinen denkwürdigen Schluss ziehen konnte – siehe oben. Allein die Ausrichtung dieser foveolaren Rezeptoren ist – völlig unabhängig vom ophthalmometrischen Pol – für die Position des Empfindungsmaximums verantwortlich. Der zentrale Hauptstrahl muss nicht mehr senkrecht auf der Hornhautvorderfläche stehen, wird also in diesem Falle nicht durch die reale Visierlinie, sondern durch die Gesichtslinie (sie ist „auch” als Verbindungsgerade des zentral abgebildeten Objektpunktes mit seinem Bildpunkt definiert!) dargestellt.

Unterschiedliche retinale Reizverarbeitung 

Wenn im photopischen Sehen die Selektion des zentral abbildenden Strahlenbündels nach Kriterien der chromatischen Aberration erfolgt und im mesopischen Sehen das Bündel von der Photorezeptoroptik bestimmt wird, kann die retinale Reizverarbeitung nicht über die gleichen Bahnen nach dem gleichen Muster abgewickelt werden. Der SCE erscheint bei dieser Betrachtung gewiss in einem anderen Licht. Zwischen weißem und monochromem Licht muss nämlich ein SC-relevanter Unterschied sein. Auch wenn er „physiologisch nicht plausibel” erscheinen mag. Es sieht so aus, als ob Enoch 1958 irrte, als er meinte, die verschiedenen Positionen der Empfindungsmaxima von weißem und von monochromem Licht als zu unbedeutend nicht zur Kenntnis nehmen zu müssen!

Die sensorische Aperturblende des Auges im Photopischen Sehen (Tagessehen)

Man muss davon ausgehen, dass das zur Information des Gehirns über zentrale Abbildung genutzte Fixierstrahlenbündel deutlich enger ist als das von der Pupille freigegebene. Wie die Entdecker damals aus ihren Experimenten schlossen, muss der Effekt retinaler Natur sein. Begreift man also den Stiles-Crawford-Effekt (SCE) als sensorisch veranlasste Einschränkung des abbildenden Strahlenbündels, so muss deren optische Wirkung an der ersten brechenden Fläche des Systems Auge, der Hornhautvorderfläche angenommen werden. Und wenn die Effizienz zentraler Strahlen höher ist als diejenige peripherer, ist davon auszugehen dass das Zentrum dieser sensorischen Aperturblende mit dem Empfindungsmaximum des SCE identisch ist. Die „sensorische Aperturblende” dürfte das Resultat einer foveolären Selektion sein, die die Retina während der Mikro-Bewegungen nach Kriterien der chromatischen Aberration vornimmt (Abb. 6).

Obwohl wissenschaftlich noch nicht in der Form bestätigt, ist für die folgenden Überlegungen der Stiles-Crawford-Effekt als sensorische Aperturblende des Auges zu verstehen. Der Strahl, der durch die Mitte dieser „Blende” geht, repräsentiert das Empfindungsmaximum des SCE. Er muss – mit diesem besonderen Merkmal ausgestattet – den fixierten Objektpunkt mit seinem Bildpunkt in der Foveolamitte verbinden, also zentraler Hauptstrahl sein!

Es steht außer Zweifel, dass dem zentralen Hauptstrahl in der Optometrie eine Sonderstellung zukommt. Er repräsentiert den Objektpunkt und den Bildpunkt in der Foveolamitte und logischerweise auch das Empfindungsmaximum des SC-Paraboloids, denn Fixieren bedeutet ja, den Objektpunkt in das Zentrum der höchsten Empfindlichkeit der Foveola abzubilden. Bringt man Kimme und Korn einer Zieleinrichtung zusammen mit dem anvisierten Objektpunkt ebenfalls an diesem Ort zur Abbildung, so erfüllt sich der Tatbestand des Visierens. Der zentrale Hauptstrahl stellt also die Linie dar, auf die Objektpunkt, Kimme, Korn und Empfindungsmaximum der SC-Funktion aufzureihen sind: Er ist identisch mit der realen Visierlinie! (Abb. 3)

DER ZENTRALE HAUPTSTRAHL

Es ist unschwer zu erkennen, dass die Definition dieses Strahls auf das von der „noch zu definierenden” Blende des nicht zentrierten Systems Auge begrenzten Stahlenbündels anzuwenden ist. Und es ist nicht zu bestreiten, dass derjenige Lichtstrahl, der sich vom Objektpunkt über die brechenden Medien bis zum konjugierten Bildpunkt in der Mitte der Foveola verfolgen lässt, besonders auszeichnet.

Wie an der meist dezentrierten Position des Empfindungsmaximums der SC-Funktion – siehe Abbildung 4 – zu erkennen ist, muss der zentrale Hauptstrahl, also die reale Visierlinie, aber keineswegs durch die Mitte der Eintrittspupille (EP) gehen. Es wird somit offensichtlich, dass zwischen der realen, verifizierbaren Visierlinie (Abb. 3) und der Visierlinie nach DIN 5340, die durch die Mitte der EP zu gehen hat, absolut keine Übereinstimmung besteht! Sowohl nach DIN 5340 als auch nach dem Wörterbuch der Optometrie sind aber Visierlinie und Fixierlinie identische Begriffe.

Um bei Funktionsbeschreibungen der Fixier(Visier)linie nicht Gefahr zu laufen, sich zweierlei Auslegungen bedienen zu können, oder gar zu müssen, einer als Norm festgesetzten, aber nicht verifizierbaren und einer verifizierbaren, realen, aber nicht genormten, sollte der in DIN 5340 (und anderen) offensichtlich problematisch definierte Begriff – vorsichtig ausgedrückt – nicht ganz unbegründet einer Prüfung unterzogen werden. Sollten sich die Zweifel als berechtigt erweisen, ergäbe sich natürlich die Notwendigkeit, alle davon unmittelbar und mittelbar betroffenen Begriffe des fachlichen Vokabulars und daraus abzuleitende Konsequenzen (Brillenzentrierung) gleichermaßen überprüfen zu müssen.

Hornhautreflexbild und PHOTOPisches Sehen

Da die Augenpupille nachweislich nicht als Aperturblende wirkt, gibt es nicht den geringsten Grund, anzunehmen, die Augenpupille habe irgendetwas mit der optischen Abbildung im Auge zu tun. Es ist deshalb von Anfang an ein Fehlgriff, die Zentrierung brechender Flächen zum Auge nach der Mitte der Eintrittspupille (PMZ) vorzunehmen. Die Definition der Fixierlinie nach DIN 5340, wonach der optische Augendrehpunkt Z' sich auf deren bildseitigem Teil befinden soll, ist schlicht ein historischer Irrtum, denn im Falle eines Gammawinkels ungleich null, geht der zentrale Hauptstrahl – und nur der ist für die Zentrierung maßgeblich, weil sich der virtuelle Augendrehpunkt Z' nur darauf befinden kann – nicht durch die Mitte der Eintrittspupille. Vielmehr steht im photopischen Sehen (Tagessehen) bei weißem Licht der zentrale Hauptstrahl (reale Visierlinie) auf der Hornhautvorderfläche senkrecht im ophthalmometrischen Pol und ist deshalb erkennbar am Hornhautreflexbild des weißen Leuchtfixierpunktes (Abb. 6 und 7)[14].

Abbildung 7: Im photopischen Sehen erfüllt die reale Visierlinie die Funktion des zentralen Hauptstrahls; auf ihm haben folglich die zur Bildkonstruktion erforderlichen Knotenpunkte K und K’ zu liegen; der Winkel γ ist der Winkel zwischen physiologischer Augenachse und realer Visierlinie.

Mesopisches Sehen (Dämmerungssehen)

Im mesopischen Sehen (foveal empfundene Leuchtdichten unterhalb der Schwelle des Tagessehens und monochromes Licht) ist die Foveola nicht in der Lage, nach Kriterien der chromatischen Aberration zu selektieren. Das zentral abbildende Strahlenbündel wird von der Photorezeptoroptik der aktivierten Zapfen gebildet. Der zentrale Hauptstrahl ist nicht mehr an den senkrechten Eintritt in die Hornhautvorderfläche gebunden und wird in diesem Fall durch die Gesichtslinie repräsentiert (Abb. 8).

Abbildung 8: Im mesopischen Sehen erfüllt die Gesichtslinie die Funktion des zentralen Hauptstrahls; analog zum photopischen Sehen haben die Knotenpunkte K und K’ auf der Gesichtslinie zu liegen; der Winkel κ ist der Winkel zwischen physiologischer Augenachse und Gesichtslinie (Sehachse).

Er ist an der Position des Empfindungsmaximums beim entsprechenden Licht erkennbar – oder mit einer Messmethode, die den objektseitigen Teil des zentralen Hauptstrahls direkt zu erfassen in der Lage ist ...

Eine Möglichkeit, für die Brillenzentrierung die Lage des zentral abbildenden Strahlenbündels sowohl im photopischen als auch im mesopischen Sehen direkt erfassen und vermessen zu können, zeichnet sich – bei entsprechender Leuchtdichte von Testmarke und deren Umfeld (Adaptation!) – mit dem von Heinz Hegener entwickelten FLA-Messgerät ab[15],[16]. Das Gerät erlaubt, das Strahlenbündel zu erfassen, das vom zentral abgebildeten Objektpunkt ausgeht. Hegeners Messungen sind im photopischen Sehen eine Alternative zu Messungen mit dem weißen Hornhautreflexbild, und im mesopischen Sehen eine zweifellos weniger aufwendige Methode als die Bestimmung des Empfindungsmaximums des Stiles-Crawford-Effektes!

Skotopisches Sehen (Nachtsehen)

Das skotopische Sehen verfügt über kein zentrales Sehen, weil nur Stäbchen (in der Foveola nicht vorhanden) aktiviert sind. Es bräuchte deshalb in diesem Zusammenhang nicht angeführt zu werden. Vollständigkeitshalber sei aber erwähnt, dass die Apertur der Stäbchenrezeptoren nur von deren Hohlleitereigenschaft, also Photorezeptoroptik, bestimmt wird. Da auch dieser Vorgang ein rein retinaler ist, funktionieren nicht nur photopisches und mesopisches Sehen ohne körperliche Aperturblende, sondern auch das skotopische Sehen. Somit ist festzustellen, dass die Augenpupille niemals als Aperturblende wirken kann, sondern lediglich den Lichtstrom – vielleicht als einleitende Maßnahme der Adaptation – reguliert.

Brillenzentrierung

Die vorliegende Betrachtung hat in der Auswirkung auf die Brillenzentrierung ihren tieferen Sinn. Brillenzentrierung nach der Mitte der Eintrittspupille vorzunehmen (PMZ) ist bei Gammawinkel ungleich null mit dem erheblichen Risiko behaftet, den optischen Augendrehpunkt Z' um Beträge zu verfehlen, die – weil in der Regel beidseitig vorliegend – binokular beachtliche Ausmaße annehmen und in Abhängigkeit vom Glastyp jenseits jeder Toleranz liegen können. Es sind vermeidbare „Kunstfehler“, die sich der Augenoptiker im allgemeinen nicht gerne nachsagen lässt! Oder?

Der Stiles-Crawford-Effekt (SCE) – hätte man ihn von vornherein (1933) genügend ernst genommen! – stellt die Wirksamkeit der Augenpupille als Aperturblende des Systems Auge in Frage. Eine Betrachtung des zentralen Hauptstrahls als mit dem Empfindungsmaximum des SCE zusammenfallend, belegt zweifelsfrei, dass die sensorische Aperturblende des Auges Realität ist – ohne jegliche Beeinflussung durch eine körperliche Aperturblende.

Prüfstein der immer noch gängigen Lehrmeinung, die Augenpupille wirke als Aperturblende des Systems Auge, ist die Verifizierbarkeit der Fixierlinie (nach DIN 5340) als Visierlinie bei Gammawinkel ungleich null!

Kritiker des Verfassers sind seit vielen Jahren – trotz wiederholter unmissverständlicher Aufforderungen[17] – diesen eindeutigen, fotografisch dokumentierbaren und deshalb entsprechend, also nicht zeichnerisch, zum Ausdruck zu bringenden Beweis schuldig geblieben!

Möglichkeiten, den für die Zentrierung maßgebenden optischen Augendrehpunkt Z' korrekt erfassen zu können, wurden vom Verfasser angesprochen. Physiologisch richtige Brillenzentrierung bedarf eines Messverfahrens, das in der Lage ist, den verifizierbaren zentralen Hauptstrahl (Empfindungsmaximum des SCE)  zweifelsfrei zu erfassen. PD-Messgeräte, die das Prinzip der Pupillenmittenzentrierung (PMZ) anwenden, können bei Gammawinkel (mesopisch: Kappawinkel) ungleich null – einer Situation, die viel häufiger vorzufinden ist als mancher denken mag – diesem Anspruch nicht gerecht werden.

Hans W. Riedl, Hersbruck

 

Literaturangaben

[1] Helmut Goersch: Wörterbuch der Optometrie, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, 1996

[2] Hans W. Riedl: Der Hauptfixierstrahl – ein augenoptisches Märchen, NOJ 7-8/1991, S. 30 bis 32, “Fortsetzungen” in NOJ 10/1991, 12/1991 und 4/1992

[3] Hans W. Riedl: Winkel gamma – oder die Befangenheit von der Vorstellung, die Netzhautgrube müsse vom hinteren Augenpol versetzt sein, Optometrie 1/1993, S. 30 bis 34

[4] Clarence H. Graham, Neil R. Bartlett, John Lott Brown et al.: Vision and Visual Perception, Verlag John Wiley & Sons Inc., New York, London Sydney, 1965

[5] Hans W. Riedl: Der Blick von oben - Gedanken zu Beobachtungen von Astronauten im Weltraum, DOZ 8/98, S. 30 bis 35

[6] W. S. Stiles and B. H. Crawford: The Luminous Efficiency of Rays Entering the Eye Pupil at Different Points, Proc. Royal Society of London, Vol. 112.-B. (1933), S. 428 bis 450

[7] PD Dr. W. Wesemann: Wo liegt die lichtenergetische ”Mitte” der Augenpupille?, Neues Optikerjournal 3/1996, S. 10 bis 14

[8] Enoch, J. M.: Summated Response of the Retina to Light Entering Different Parts of the Pupil, Journal of the Optical Society of America, 48, 1958, S. 392 bis 405

[9] Hans W. Riedl: Stiles-Crawford-Effekt 1. Art, Untersuchungen von J.M.Enoch (1958) und N.D.Miller (1964), NOJ 1/1996, S.24 bis 31

[10] W. S. Stiles: The Luminous Efficiency of Monochromatic Rays Entering the Eye Pupil at Different Points and a New Color Effect, Proc. Royal Society of London, Vol. 123-B, 1937, S. 90 bis 118

[11] W. S. Stiles: The Directional Sensitivity of the Retina and the Spectral Sensitivities of the Rods and Cones, Proc. Royal Society of London, Vol. 127-B, 1939, S. 64 bis 105

[12] schriftliche Mitteilung von PD Dr. W. Wesemann an den Unterzeichner, 1997

[13] Cline, Hofstetter, Griffin: Dictionary of Visual Science, Chilton Book Company, Radnor, Pennsylvania, 1980

[14] Hans W. Riedl: Vom Unsinn der PD-Messung, DOZ 10/1997, S. 26 bis 31

[15] Heinz Hegener: PD-Messungen sind unzuverlässig, Optometrie 4/98, S. 24 bis 29

[16] Heinz Hegener: PD-Messungen sind ungenau: Deshalb gibt es Probleme mit Gleitsichtbrillenanpassungen, DOZ 2/99, S. 22 bis 27

[17] Hans W. Riedl: Pupille - Aperturblende des Auges?, Der Augenoptiker 5-97, S. 119 bis 123

 

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